Texts:1975 Über Horace Mann: Difference between revisions

Created page with "__NOTITLE__ {{Setup|tick=Texts}} <div class="cent"> <h1>Über Horace Mann</h1> <h3>by Robbie McClintock</h3> <blockquote>A lecture composed and delivered in German for the Pädagogik Seminar at the University of Frankfurt, May 1975.</blockquote></div><div class="nums"> <p>Ich bin froh darüber, diese Gelegenheit zu haben, über Horace Mann zu reden. In der Columbia Universität, wo ich normalerweise lehre, ist mein Spezialgebiet die Geschichte der Europäischen Pä..."
 
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<p>Ich bin froh darüber, diese Gelegenheit zu haben, über Horace Mann zu reden. In der Columbia Universität, wo ich normalerweise lehre, ist mein Spezialgebiet die Geschichte der Europäischen Pädagogik, nun, wenn man aber im Ausland ist, so wird vorausgesetzt, dass man über seine Heimat gut Bescheid weiß. Und oft gibt es gute Gründe für diese Voraussetzung, weil der Ausländer mehr und tiefer über seine Heimat denkt, wenn er von ihr weg ist, wie er es tut, wenn er dort ist. Zumindest ist dies der Fall bei mir: während ich in Deutschland bin, bin ich mir mehr bewusst darüber geworden, dass ich, trotz meiner Liebe zu Europa und zur europäischen Geschichte und Kultur, Amerikaner bin.</p>
<p>Ich bin froh darüber, diese Gelegenheit zu haben, über Horace Mann zu reden. In der Columbia Universität, wo ich normalerweise lehre, ist mein Spezialgebiet die Geschichte der Europäischen Pädagogik, nun, wenn man aber im Ausland ist, so wird vorausgesetzt, dass man über seine Heimat gut Bescheid weiß. Und oft gibt es gute Gründe für diese Voraussetzung, weil der Ausländer mehr und tiefer über seine Heimat denkt, wenn er von ihr weg ist, wie er es tut, wenn er dort ist. Zumindest ist dies der Fall bei mir: während ich in Deutschland bin, bin ich mir mehr bewusst darüber geworden, dass ich, trotz meiner Liebe zu Europa und zur europäischen Geschichte und Kultur, Amerikaner bin.</p>


<p>Was meint dies—Amerikaner zu sein? Diese Frage ist wichtig, um Horace Mann richtig zu verstehen. Er war Amerikaner, durch und durch. Noch einmal—was meint es—Amerikaner zu sein? Ich habe mich nie früher mit dieser Frage beschäftigt, weil ich dachte, dass die Amerikaner ganz einfach Europäer wären, die in ein neues Land zogen. Ja—es ist leicht und teilweise richtig, die amerikanische politische Theorie, die Literatur, Philosophie, das Recht, die Wissenschaft und so weiter in einem europäischen Zusammenhang zu behandeln. Die amerikanische Kultur hat ihre Wurzeln in Europa und ist ein Teil der europäischen Kultur. Ja, aber ein besonderer Teil, und um Horace Mann zu verstehen, müssen wir über diese Be-sonderheit nachdenken.</p>
<p>Was meint dies—Amerikaner zu sein? Diese Frage ist wichtig, um Horace Mann richtig zu verstehen. Er war Amerikaner, durch und durch. Noch einmal—was meint es—Amerikaner zu sein? Ich habe mich nie früher mit dieser Frage beschäftigt, weil ich dachte, dass die Amerikaner ganz einfach Europäer wären, die in ein neues Land zogen. Ja—es ist leicht und teilweise richtig, die amerikanische politische Theorie, die Literatur, Philosophie, das Recht, die Wissenschaft und so weiter in einem europäischen Zusammenhang zu behandeln. Die amerikanische Kultur hat ihre Wurzeln in Europa und ist ein Teil der europäischen Kultur. Ja, aber ein besonderer Teil, und um Horace Mann zu verstehen, müssen wir über diese Besonderheit nachdenken.</p>


<p>Während ich hier bin, habe ich die gute Gelegenheit gehabt "die liberale Tradition in Amerika" von Louis Hartz, einem wichtigen amerikanischen politischen Theoretiker nochmals zu lesen. Seine These gibt eine prächtige Erklärung der amerikanischen Besonderheit. Es ist dies, dass die Europäer, die nach Nordamerika gegangen sind, den Feudalismus hinter sich gelassen haben, was eine starke Wirkung auf den amerikanischen sozialen Gedanken hatte. Infolge dieser Tatsache gab es in den Vereinigten Staaten eine allgemeine Denkart, d.h. einen Liberalismus, der von Locke abgeleitet ist. Es ist ein Klischee zu sagen, dass die Vereinigten Staaten eine bürgerliche Nation mit einer mittelständischen Kultur sind. Dieses Klischee ist zu hinterfragen. Warum waren die Vereinigten Staaten bürgerlich? Nicht durch den Sieg des Mittelstands über die Aristokratie: es gab da keine Aristokratie, gegen die der Mittelstand kämpfen konnte. Es gab keine Aristokratie und keine Leibeigenschaft und die Vereinigten Staaten waren bürgerlich, weil die anderen Stände fehlten.</p>
<p>Während ich hier bin, habe ich die gute Gelegenheit gehabt "die liberale Tradition in Amerika" von Louis Hartz, einem wichtigen amerikanischen politischen Theoretiker nochmals zu lesen. Seine These gibt eine prächtige Erklärung der amerikanischen Besonderheit. Es ist dies, dass die Europäer, die nach Nordamerika gegangen sind, den Feudalismus hinter sich gelassen haben, was eine starke Wirkung auf den amerikanischen sozialen Gedanken hatte. Infolge dieser Tatsache gab es in den Vereinigten Staaten eine allgemeine Denkart, d.h. einen Liberalismus, der von Locke abgeleitet ist. Es ist ein Klischee zu sagen, dass die Vereinigten Staaten eine bürgerliche Nation mit einer mittelständischen Kultur sind. Dieses Klischee ist zu hinterfragen. Warum waren die Vereinigten Staaten bürgerlich? Nicht durch den Sieg des Mittelstands über die Aristokratie: es gab da keine Aristokratie, gegen die der Mittelstand kämpfen konnte. Es gab keine Aristokratie und keine Leibeigenschaft und die Vereinigten Staaten waren bürgerlich, weil die anderen Stände fehlten.</p>